[ˌɛfeˈmeːɐ̯] – Prozessualität, Verwesung und Auflösung in der Kunst

Universität Hamburg · Kunstgeschichtliches Seminar · Wintersemester 2019/20

 

Verfall und Verwesung sind tradierte Motive in der Kunst. Entsprechende Bilder thematisieren Vergänglichkeit, Ekel aber auch die Tradition des memento mori und damit Kontemplation, Andacht und Demut. Das Seminarkonzept fokussiert jedoch weniger diese Konventionen, als tatsächlich prozessuale und bis zur Auflösung zersetzende, ephemere künstlerische Arbeiten.

Bedingt durch den Einsatz verfallender Materialien werden die Faktoren Zufall und Zeit als „Kollaborateure“ Bestandteil der Autorschaft. Damit geht die Revision des Begriffs Original ebenso einher wie die Verneinung von Erhaltungsansprüchen oder des Konzepts eines immerwährend fortbestehenden Kunstwerks. Prozessualität, Verfall und Auflösung stellen tradierte Rezeptionsmuster in Frage und werden etwa im Kontext des Anti Form- oder erweiterten KunstBegriffs diskutiert.

In der Zersetzung begriffene Kunstwerke sprechen ihre BetrachterInnen auf multisensuelle Weise an. So sind etwa starke Gerüche und das visuelle Erlebnis eines verschimmelnden Kunstobjekts imstande, ihr Publikum zur Hinterfragung normativer Rezeptionsmuster zu leiten und wirken damit als Katalysatoren für aufbrechende oder erweiterte Ästhetiken. An der Schnittstelle transformierender, in der Auflösung begriffener Werkstoffe treffen Betrachtungsweisen und Intentionen verschiedener AkteurInnen aufeinander: Diese betreffen die Kunstschaffenden selbst, die Rezipierenden wie auch involvierte Institutionen.

Das Seminar nimmt künstlerische Positionen seit den 1960er Jahren bis in die Gegenwart in den Blick. Dabei stehen materialspezifische Fragen genauso im Fokus wie ästhetische und sensuelle Wahrnehmungen, Semantiken, kunstpolitische wie institutionskritische und auch praxisbezogene Aspekte.

Berufspraktische Elemente sind insofern Teil der Lehrveranstaltung, als dass die Teilnehmenden Einblick in die Tätigkeitsfelder von KünstlerInnen, RestauratorInnen, KunsthistorikerInnen wie auch in den Galeriebetrieb erhalten. Im Mittelpunkt stehen hierbei Herangehensweisen und der Umgang mit transformierenden Materialien im Kontext der Werkentstehung, von Ausstellungen oder des Kunstmarktes. Atelierbesuche zeitgenössischer KünsterInnen, einer Restaurierungswerkstatt und Museen waren Teil des Seminars.

Kooperationspartner*innen

Sonja Alhäuser · Künstlerin · Berlin

Niels Bacher · Âme Nue · multidisciplinary exhibition space for contemporary art and culture (Hamburg)

Carolin Bohlmann · Restauratorin am Hamburger Bahnhof · Museum für Gegenwart (Berlin)

Dr. Dirk Dobke · Kunsthistoriker · Hamburg

Dr. Belinda Grace Gardner · Kunstwissenschaftlerin · Hamburg

Karin Seinsoth · Director Artist & Estate Liaison · Galerie Hauser & Wirth (Zürich)

Johannes Speder · Künstler · Hamburg

Warburg-Haus · Universität Hamburg · Dieter Roth Museum (Hamburg)

Toni R. Toivonen, Portrait of a Hare 14, 2019, Brass, original substances of a dead animal (no animals were harmed or killed for the production of the works), 38,5 x 32 cm, Private Collection, Hamburg

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