Die Neue Frau. Wie Künstlerinnen und Gestalterinnen das Bild der Moderne prägten
Alma de l’Aigle, Anni Albers, Marianne Amthor, Ruth Bessoudo, Elise Blumann, Jutta Bossard-Krull, Maya Chrusecz, Grete Gross, Elsbeth Köster, Alen Müller-Hellwig, Trude Petri, Marlene Poelzig, Hildi Schmidt Heins und Sophie Taeuber-Arp
iCAT der HFBK Hamburg, 20. September bis 27. Oktober 2024 / kuratiert von Ina Jessen
Die Zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, auch „Goldene Zwanziger Jahre“, oder „Roaring Twenties“ genannt, sind bis heute zugleich Sinnbild des Aufbruchs wie auch politisch-sozialer Realitäten, denen die Klischees von Elend und Lust, Armut und Vergnügung anhaften. Nach der traumatischen Erfahrung des Ersten Weltkrieges und inmitten seiner gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen wurden in Deutschland neue Freiheiten erkämpft und mit dem Jahr 1919 traten wesentliche emanzipatorische Änderungen zugunsten der Rechte von Frauen in Kraft. Bezeichnenderweise öffneten mit der Einführung des Frauenwahlrechtes auch die deutschen Kunstakademien für Frauen. Politische Mitbestimmung ging einher mit den Forderungen nach Selbstbestimmung und verfassungsgemäß verbriefter Gleichberechtigung, individueller Selbstbestimmtheit, freier Berufswahl und der Überwindung von Klassismen. Die Neue Frau wurde von einer marginalisierten Erscheinung des 19. Jahrhunderts zum role model dieser Veränderungen.
Die Ausstellung ist Künstlerinnen in den widersprüchlichen Zeiten des Aufbruchs und der Rückschritte während des Ersten Weltkriegs und in der Zeit danach gewidmet, die an der Staatlichen Kunstgewerbeschule zu Hamburg, der Vorgängerinstitution der HFBK, studierten. Zwar hatten Frauen hier vergleichsweise früh Zugang zu einemkünstlerischen Studium und durften seit April 1907 als „Hospitantinnen“ ausgewählte Kurse besuchen. Ihr Platz in der Kunstgeschichte war dadurch jedoch nicht gesichert. Vielmehr nahmen der Kunstmarkt, Museen und auch die Forschung vergleichsweise wenig Notiz von ihrem Wirken. Für viele Künstlerinnen und Gestalterinnen, die sich dennoch durchsetzen konnten, beendete der Faschismus die erkämpfte Freiheit, anderen wiederum gelang es über die widrigen Umstände der Emigration, ihre Ziele zu erreichen.
Die erste historische Ausstellung im Institute for Contemporary Art & Transfer (ICAT) der HFBK Hamburg fokussiert ausgewählte Künstlerinnen, die zwischen 1907 und 1930 aktive Studentinnen waren, deren Werke und Biografien in Teilen heute nicht mehr bekannt sind. Im Rahmen der Ausstellung und der digitalen Publikation werden Arbeiten, Studien, Biografien und (kunst-)historischen Entwicklungsverläufe von ausgewählten Künstlerinnen präsentiert. Den künstlerischen Positionen folgend ist der Rundgang in die Kapitel Malerei, Skulptur, Architektur, Keramik, Fotografie, Textil, Gebrauchs- und Druckgrafik gegliedert.
Das Projekt ist der Sichtbarmachung dieser Künstlerinnen gewidmet, die aus unterschiedlichen Gründen teils wenig oder nicht in unserer Gegenwart vorkommen. Im Fokus stehen die Arbeiten und Entwürfe in den frühen Wirkungsjahren an der Kunstgewerbeschule sowie künstlerisch-gestalterische Entwicklungen.
Strukturelle und politische Kontinuitäten verbinden die historischen Positionen mit unserer Gegenwart. Diese betreffen das Ringen um Sichtbarkeit und Anerkennung, die Aus- und Einschlüsse der Geschichtsschreibung oder die institutionellen, pädagogischen und sozialen Bedingungen einer Kunsthochschule. Damit ist die Ausstellung im aktuellen Kanon genderpolitischer Debatten situiert, die mit progressiver Bildungsarbeit Projekte zur Aktualisierung und Revision der internationalen Kunstgeschichte vorantreibt.